Gerhard Schmid: Herr Hohe, wie
kamen Sie zur Fliegerei?
Arthur Hohe: Mein Vater war Jagdflieger im ersten Weltkrieg, er flog
zusammen mit dem Jagdflieger-As Ernst Udet im selben Geschwader. Im Zivilberuf war mein
Vater Klavierbauer. Er hatte großes Interesse, daß ich ebenfalls das
Klavierbauer-Handwerk erlernen sollte. Als ich 20 wurde, finanzierte mein Vater zum Dank
meine Pilotenausbildung zum A-Schein.
Gerhard Schmid: Das war 1934. Durch den Versailler Vertrag war Deutschland
in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. Welche fliegerischen Möglichkeiten hatten Sie
damals?
Arthur Hohe: Als frischgebackener A-Schein.Inhaber trat ich 1. Oktober 1934
in die damals noch geheime deutsche Luftwaffe ein. Offiziell hieß mein Arbeitgeber
"Luftverkehr Thüringen AG" mit Sitz in Erfurt-Bindersleben. Als die
Geheimhaltung aufgehoben wurde, erfolgte meine Versetzung zum Jagdgeschwader "Horst
Wessel" unter Theo Osterkamp. Dort erwarb ich den C-Schein. Anschließend absolvierte
ich die Blindflugschule in Celle.
Gerhard Schmid: Also hatten Sie Ihre berufliche Laufbahn vom
Klavierbauerhandwerk weg hin zur Fliegerei verlagert.
Arthur Hohe: Ja, und schon im Jahr 1936 erlebte ich als Angehöriger der
deutschen Luftwaffe meinen ersten Einsatz beim "Kommando Rügen". Das war ein
geheimer Auftrag. Mit 12 Transportflugzeugen vom Typ Ju-52 flogen wir nach Rom, von dort
weiter nach Sevilla in Spanien. Jede Maschine flog mit doppelter Besatzung. Über fünf
Monate flogen wir Marokkanische Truppen aus Spanien aus. Man kann das Unternehmen als
erste Luftbrücke der Welt bezeichnen. Zugleich waren diese Truppenverlegungen eine
Vorbereitung auf den bevorstehenden Bürgerkrieg in Spanien.
Gerhard Schmid: Waren Sie auch währende des spanischen Bürgerkrieges dort
eingesetzt?
Arthur Hohe: Nein, nach erfolgreicher Beendigung der Truppenverlegungen
kehrte ich zurück in die Heimat und erwarb noch im Jahr 1936 die
Blindflug-Lehrberechtigung in Celle und Fürth. Und im Verlauf der Jahre 1937/38 lernte
ich auch die modernen Flugzeugmuster He-111, Do-17 und Ju-88 kennen.
Gerhard Schmid: Als 1939 der Krieg ausbrach gehörten Sie zu den
hervorragend ausgebildeten und erfahrenen Piloten. Welche Verwendung erwartete Sie?
Arthur Hohe: Ab Mai 1939 war ich - gerade 25 Jahre alt - als Fluglehrer in
Eger (heute Tschechische Republik, d. R.) eingesetzt. Diese Tätigkeit sollte ich auch bis
1942 beibehalten. Dann stand eine Beförderung an. Voraussetzung hierfür war jedoch der
aktive Kampfeinsatz über einen Zeitraum von einem Vierteljahr.
Gerhard Schmid: Also Fronteinsatz als Kampfflieger?
Arthur Hohe: Mein "Kampfeinsatz" bestand aus Versuchsflügen mit
dem viermotorigen Bomber Heinkel He-177. Das RLM sah 1942 die Notwendigkeit eines
Langstreckenbombers, der die USA erreichen sollte. Zusammen mit einigen erfahrenen
Besatzungen führten wir verschiedene Versuche mit diesem Typ durch. Unter anderem
prüften wir die Langstrecken-Tauglichkeit bei einem Flug von Brandenburg-Briest nach
Leningrad, in den Kaukasus und wieder zurück nach Briest. Für den 14 Stunden langen
Nonstop-Flug waren an Bord jeder He-177 zwei Besatzungen.
Gerhard Schmid: Die He-177 genoß ja den zweifelhaften Ruf eines
"Witwenmachers". Was waren Ihre Erfahrungen?
Arthur Hohe: Die He-177 war ein sehr fortschrittliches Flugzeug mit vielen
Technischen Neuerungen. So arbeiteten jeweils zwei Motoren auf eine Luftschraube, ein
Motor konnte dabei auf Langstreckenflügen zur Kraftstoffersparnis abgestellt werden. Die
neuartige Konstruktion war nicht unproblematisch. Es kam zu Triebwerksbränden, einige
He-177 explodierten in der Luft. Bei den von mir durchgeführten Versuchen kam es
glücklicherweise zu keinen ernsten Zwischenfällen. Aber wir konnten die Eignung für
Langstreckenflüge nachweisen. Und letztlich war die He-177 die erste deutsche Maschine
mit automatischer Kurssteuerung. Ebenfalls neu war damals die Druckkabine. Anfangs gab es
Probleme, den Druck konstant zu halten. Nach den Versuchsflügen erfolgten auch intensive
medizinische Untersuchungen. Hierbei wurde u. a. auch entdeckt, daß die teils starken
Schwankungen des Kabinendrucks bei der Besatzung zu - glücklicherweise nur
vorübergehender - Zeugungsunfähigkeit führte.
Gerhard Schmid: Die Versuche waren also erfolgreich,
Langstrecken-Kampfeinsätze fanden jedoch nie statt...
Arthur Hohe: Unsere Langstreckenversuche mit der He-177 verliefen zwar ohne
größere Zwischenfälle, doch unter Einsatzbedingungen gab es häufig Verluste an
Maschinen und Besatzungen. So gingen bei einem einzigen Evakuierungseinsatz in Russland
gleich mehrere Maschinen ohne Feindeinwirkung durch Motorbrände und Explosionen verloren.
Gerhard Schmid: Und wie war Ihr weiterer Werdegang?
Arthur Hohe: Nach meiner Beförderung wurde ich Gruppenfluglehrer und
Ausbildungsleiter bei den Ausbildungseinheiten in Eger, Straubing und Fürth. Dort wurde
auf Junkers W-34 die B-Ausbildung für Instrumentenflug durchgeführt.
Gerhard Schmid: Wurden dort Jagd-, Kampf- oder Transportflieger ausgebildet?
Arthur Hohe: Zum Beginn der B-Ausbildung stand das für den einzelnen
Piloten noch nicht fest. Während der Schulungen wurden die jungen Piloten von den Lehrern
beurteilt. Aufgrund dieser Beobachtungen entschieden die Fluglehrer bei den
Ausbildungseinheiten über die weitere Laufbahn der Schüler. Jagd- oder Kampfflieger -
nicht jeder Pilot ist für jede Rolle geeignet...
Gerhard Schmid: ...und der Nachschub an neuen Piloten war ja eines der
größten Probleme der deutschen Luftwaffe.
Arthur Hohe: Gegen Ende des Krieges wurden die Ausbildungseinheiten beim
Zurückweichen vor den Alliierten nach Straubing verlegt. Meine Gruppe befand sich auf dem
Weg nach Straubing als der große Bombenangriff der Alliierten auf Dresden stattfand. Wir
befanden uns zu diesem Zeitpunkt in Dresden-Klotzsche und erlebten die Feuersbrunst so als
Augenzeugen mit. Am Tag danach wurde die Verlegung nach Straubing fortgesetzt. Dort wurden
die A- und B-Flugzeugführerschule zusammengefasst in der Kriegsschule 10.
Gerhard Schmid: Das war wenige Tage vor Kriegsende. Wie erlebten Sie das
Ende?
Arthur Hohe: Die Ereignisse überschlugen sich. Als die Amerikaner Straubing
und unseren Flugplatz erreichten, wurden die Flugschüler zur Verteidigung im Erdkampf
eingesetzt. 120 Fahnenjunker verloren bei diesem hoffnungslosen Unternehmen ihr Leben.
>>> Ausbildung der
Flugzeugführer im zweiten Weltkrieg